Herr Besser, warum kostet eine Mensa fürs Schulzentrum fast vier Millionen Euro?
KLAUS BESSER: Mich stört an der Diskussion, dass es immer nur ums Geld geht und nicht um
die Kinder dieser Gemeinde, für die wir die Mensa schließlich bauen. Unser Ziel war es immer,
dass Steinhagens Kinder auch hier zur Schule gehen und dass diese Schulen als Ganztagsbetrieb
geführt werden. Das haben wir erreicht. Jetzt müssen wir aber auch dafür sorgen, das wir unseren Schülern ein vernünftiges Mittagessen anbieten können. Und zwar eins, das an Ort und Stelle zubereitet wird. Auch wenn es sich nur um einen Zweckbau handelt: Wenn wir eine Mensa mit 350 Sitzplätzen bauen wollen, in der es frisch zubereitetes Essen gibt, dann kostet das nun mal 3,5 bis 4 Millionen Euro.
Geht das wirklich nicht günstiger?
BESSER: Natürlich. Aber dann wird unsere Mensa kleiner und bietet nur aufgewärmtes Essen
an. Der Vergleich mit Halle, das für 4 Millionen noch eine Sporthalle dazubekommt, funktioniert
übrigens nicht. Dort wird eine Mensa mit nur 150 Sitzplätzen gebaut. Das ist eine reine Verteilmensa. Die brauchen nur Geräte zum Erwärmen. Wir benötigen hingegen eine komplett
ausgestattete Großküche mit Kühlmöglichkeiten. Allein für so eine Küche können Sie schon
mal eine Millionen einplanen.
Wäre es nicht sinnvoll gewesen,zunächst Entwürfe von weiteren Architekten einzuholen?
BESSER: Es kommt doch nicht auf den Planer an, sondern darauf, was wir als Bauherr haben
wollen. Wir werden jetzt im Rahmen der konkreten Planungen ins Detail gehen und dem
Architekten unsere Anforderungen nennen. Da sehe ich durchaus noch Einsparpotenzial. Denn natürlich macht es einen finanziellen Unterschied, ob man zum Beispiel PVC-Boden oder Fliesen verwendet, ein Spitzdach oder ein Flachdach haben möchte. Es wäre eher unüblich, mehrere Architekten zu fragen. Das machen Sie beim privaten Hausbau ja auch nicht. Sonst hätten wir einen Architektenwettbewerb ausschreiben müssen. Das war von der Politik aber nicht gewollt. Es würde zusätzlich Zeit und Geld kosten.
Hat die Gemeinde zum kommenden Jahr die Grund- und Gewerbesteuer erhöht, um das Mensaprojekt zu finanzieren?
BESSER: Das stellt die CDU vielleicht nach außen so dar. Aber die Steuererhöhung hat nichts mit der Mensa zu tun. Für solche Investitionen hat die Gemeinde ja Rücklagen gebildet. In Höhe von elf Millionen Euro übrigens. Doch an anderer Stelle reichen die regelmäßigen Einnahmen nicht aus, um die laufenden Kosten zu decken. Und deshalb müssen wir die Steuern erhöhen.
Damit nimmt die Gemeinde nächstes Jahr zusätzlich 600 000 Euro ein. Doch allein die Kreisumlage sinkt neuesten Zahlen zufolge um 790 000 Euro. Somit könnte man doch auf die Erhöhung verzichten.
BESSER: Das ist aber nur ein momentaner Stand. Spätestens nächstes Jahr um diese Zeit sieht
es wieder anders aus. Und trotzdem fehlen 2011 noch 2,6 Millionen zum Haushaltsausgleich.
Die Erhöhungen schlagen sich ohnehin nur in bescheidenen Höhen nieder. Bei einem durchschnittlichen Einfamilienhaus macht das im Jahr etwa 30 bis 40 Euro aus. Zudem wird der aktuelle Haushalt mit einem Defizit abschließen. Obwohl wir eine Million Euro mehr an Gewerbesteuern eingenommen haben werden, als eingeplant.
Also ist der Aufschwung auch in Steinhagen angekommen? Schließlich werden allerorten positive Wirtschaftsmeldungen verkündet.
BESSER: Er macht sich bemerkbar. Aber steuerlich wirkt sich das noch nicht in der Gemeindekasse
aus. Wir haben 2008 und 2009 besonders unter der Wirtschaftskrise gelitten, weil Steinhagens Industrie zu einem großen Teil exportabhängig ist. Inzwischen haben die Betriebe aber wieder Vollbeschäftigung. Unternehmen wie Schaeffler profitieren vom neuerlichen Boom in der Autoindustrie. Jetzt hoffe ich, dass der Winter nicht zu hart wird. Denn gerade aufs Baugewerbe wirkt sich die momentane Witterung negativ aus.
Dafür dürfte das Baugewerbe vom Konjunkturpaket profitiert haben.
BESSER: Das stimmt. Steinhagen hat 1,7 Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket erhalten.
Wir haben die Investitionssumme aus eigenen Mitteln auf vier Millionen aufgestockt und in
diesem Jahr viele Projekte angestoßen wie etwa den Anbau an die Grundschule Amshausen.
Die Handwerksbetriebe dürften im Sommer gut ausgelastet gewesen sein.
Auch auf Steinhagens größter Baustelle hat sich etwas getan. In diesem Jahr wurde an der Bahnhofstraße die erste Brücke für die Autobahn errichtet. Das wars dann aber auch so scheint es.
BESSER: Ja, es wurde eine von zehn Brücken gebaut. Wenn das in dieser Geschwindigkeit weitergeht, dann glaube ich kaum, dass 2013 das erste Auto in Steinhagen über die Autobahn
fährt. Man muss bedenken, dass erst die Brücken fertig und alle Straßen verlegt worden sein müssen, bevor der eigentliche Trassenbau beginnen kann. Wieso wurden zum Beispiel nicht längst
die Bäume am Hotel Graf Bernhard gefällt? Seit einem Jahr steht fest, dass dort Bäume wegmüssen.
Zu spät haben die Planer festgestellt, dass es nur eine Zufahrt zum Hotel gibt und dass dort momentan eine Eisbahn betrieben wird. Wenn die Bäume nicht bis zum 28. Februar weg sind, kann die neue Bahnhofstraße, die über die Brücke führt, im neuen Jahr nicht gebaut werden.
… weil im Februar die Brutzeit beginnt und keine Bäume gefällt werden dürfen.
BESSER: So siehts aus.
Wie laufen die Vorbereitungen für eine Informationsveranstaltung für Bürger zum ThemaA 33, zu der Sie die Verantwortlichen einladen wollen?
BESSER: Sowohl Hans-Herbert Oldemeyer vom Landesbetrieb Straßen.NRW als auch die Regierungspräsidentin Marianne Thomann-Stahl haben vor eineinhalb Jahren eine solche Veranstaltung zugesagt. Eine feste Zusage habe ich aber bis heute nicht erhalten. Ich wünsche mir einfach mehr Transparenz. Wir wollen da ja niemanden vorführen. Auch erwarte ich die Einrichtung eines Baubüros, in dem die Bürger ständig und vor Ort Antworten auf ihre Fragen bekommen. Die Bürger sollen die Möglichkeit haben, ihre Fragen loszuwerden. Denn viele können wir als Gemeinde nicht beantworten. Wir fühlen uns ja selber schlecht informiert.
Was sind denn das für Fragen?
BESSER: Viele wollen wissen, ob die Autobahn ebenerdig verläuft; ob die Fuß- und Radwege künftig über oder unter der Autobahn herführen. Wann wird der Upheider Weg gesperrt? Wird
auch die Lange Straße gesperrt?
Immerhin hat die Gemeinde in diesem Jahr ein Verkehrskonzept beschlossen.
BESSER: Ja. Aber damit kommt das von uns beauftragte Planungsbüro auch nicht voran, solange
es keine Informationen vom Landesbetrieb Straßenbau bekommt. Je länger das alles dauert, umso größer wird die Belastung für Steinhagen. Man bemerkt ja schon jetzt den zunehmenden Schleichverkehr, etwa auf der Umgehungsstraße durch Brockhagen, oder die Staus auf der B 68.
Wie funktioniert es in Steinhagen mit der Integration von Ausländern? Thilo Sarazzin hat in diesem Jahr eine kontrovers geführte Debatte angestoßen.
BESSER: Integration wäre auch ohne Thilo Sarazzin in Steinhagen ein Thema gewesen. Wir haben
im Juni erstmals einen Migrationsbericht vorgelegt und im Mai ein Integrationsfest gefeiert. Die Situation ist bei uns im Vergleich zu Großstädten entspannt. Der Ausländeranteil in der Bevölkerung liegt in Steinhagen bei sechs Prozent. Zwischen 15 und 20 Prozent der Bürger haben einen Migrationshintergrund, sprich: entweder sie selbst sind aus dem Ausland zu uns gezogen oder eines ihrer Elternteile. Das ist ein normaler Durchschnitt für eine ländliche Gemeinde.
Mit der Milli Görüs ist in den Räumen der ehemaligen Gaststätte Neons an der B 68 eine Organisation tätig, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird.
BESSER: Das ist richtig. Es handelt sich hierumeine fundamentalistisch ausgerichtete islamische Gemeinschaft, die zudem eine Gaststättenkonzession für den Betrieb besitzt. Diese Gruppe verhält sich allerdings unauffällig. Probleme mit der Integration mag es in Einzelfällen geben, aber sie sind in Steinhagen nicht eklatant. Wir müssen trotzdem im Bildungsbereich ansetzen.
Und wie stellen Sie sich das vor?
BESSER: Wir müssen eine gleichmäßigere Verteilung der Kinder an die weiterführenden
Schulen anstreben. Und zunächst dafür Sorge tragen, dass Kinder mit Migrationshintergrund frühzeitig Deutsch lernen. Darum wird ja landesweit darüber diskutiert, das letzte Kindergartenjahr verpflichtend und beitragsfrei für alle Kinder einzuführen. Ich denke, wir sind auf Migration angewiesen, um den Wohlstand in Deutschland und Steinhagen zu erhalten. Die Diakonie zum Beispiel wäre ohne Fachkräfte mit Migrationshintergrund arbeitsunfähig. Im Handwerk wird schon lange über nicht besetzte Ausbildungsplätze geklagt.
Zuletzt eine privat Frage: Wie feiert der Bürgermeister Weihnachten und Silvester?
BESSER: Ganz entspannt zu Hause unterm Baum im Kreise der Familie. Zu Silvester erwarten
wir außerdem Besuch aus den Niederlanden. Und natürliche werde ich den Neujahrs-
Gottesdienst besuchen.