Tobias Blasius: Bund und Länder müssen bis 2019 den Länderfinanzausgleich und den Solidarpakt Ost neu verhandeln. Sie wirken ziemlich entschlossen, für NRW mehr rauszuholen. Kann das funktionieren?
Hannelore Kraft: Die Finanzbeziehungen zwischen den Ländern sind kein Ausgleichssystem mehr, es findet eine Überkompensation statt. Nordrhein-Westfalen gilt als Nehmerland, weil wir 700 Millionen Euro aus dem engeren Länderfinanzausgleich erhalten. Aber dabei wird ignoriert, dass wir durch den vorgeschalteten Umsatzsteuerausgleich 2,4 Milliarden Euro abgeben müssen. Unterm Strich zahlen wir also 1,7 Milliarden Euro ein.
Sollen die anderen Länder künftig Ihren Haushalt sanieren?
Kraft: Davon kann überhaupt keine Rede sein. Wir sind ein starkes Land mit hoher Wirtschaftskraft. Wir wollen mehr von dem behalten, was bei uns erwirtschaftet wird. Vor allen Umverteilungsmechanismen hat Nordrhein-Westfalen ein um 1000 Euro pro Einwohner höheres Steueraufkommen als Sachsen. Nach Umverteilung hat Sachsen 500 Euro pro Einwohner mehr als wir und mahnt uns öffentlich, doch bitte mehr zu sparen. Und das, obwohl wir die niedrigsten Pro-Kopf-Ausgaben aller Länder haben. Das kann strukturell so nicht bleiben.
Aber das Sparen wird Ihnen niemand abnehmen.
Kraft: Wir sparen allein 1,5 Milliarden Euro im Haushalt 2015. Würde NRW so viel ausgeben wie der Durchschnitt aller westdeutschen Flächenländer, könnten wir 5,6 Milliarden Euro mehr investieren. Würden wir uns am Durchschnitt der ostdeutschen Länder orientieren, wären es sogar rund 15 Milliarden Euro.
Quelle: derwesten.de-24.11.2014