Im großen HK-Interview mit den Redakteuren Jonas Damme und Frank Jasper erläutert Bürgermeister Klaus
Besser, warum Steinhagen dringend weitere Flüchtlingsunterkünfte braucht.
Herr Besser, ist Steinhagen für den Zuzug weiterer Flüchtlinge gewappnet?
KLAUS BESSER: Da sprechen Sie ein Problem an, das in der öffentlichen Wahrnehmung noch nicht angekommen ist. Man sitzt vorm Fernseher, sieht die Flüchtlingsproblematik weltweit und in Europa. Dass
wir hier in Steinhagen aber ein akutes Unterbringungsproblem haben, ist längst nicht jedem bekannt. Zurzeit arbeiten wir daran, unsere Aufnahmekapazitäten zu erweitern, weil das Übergangswohnheim in der Patthorst und angemietete Wohnungen im nächsten Jahr voraussichtlich nicht mehr ausreichen werden. Die Bundesregierung hat ihre Prognosen zur Aufnahme ausländischer Flüchtlinge noch einmal deutlich nach oben korrigiert.
Wie reagiert Steinhagen darauf?
BESSER: Eine Idee ist der Bau von fünf Doppelhäusern an der Bahnhofstraße. Die Wohnungen kann man dann zur Unterbringung von Flüchtlingen nutzen, die einen längeren Bleibestatus haben, also für Personen, bei denen man von einer Anerkennung des Asylantrages ausgehen kann, oder die aus humanitären Gründen nicht in ihre Heimatländer zurückkehren können.
Andere Kommunen setzen auf eine dezentrale Unterbringung, damit eine Integration leichter fällt. Wäre das nicht auch für Steinhagen die bessere Lösung?
BESSER: Das machen wir ja parallel. Wir haben bereits zahlreiche Wohnungen in Steinhagen angemietet und dort Flüchtlinge untergebracht. Aber bei dem starken Zustrom, mit dem wir rechnen, benötigen wir einfach mehr Kapazitäten. Auf dem freien Wohnungsmarkt sind die Möglichkeiten begrenzt, außerdem verschärfen wir damit ja auch den Wohnungsmarkt.
Die Anwohner des Grundstücks, auf dem Sie die Doppelhäuser bauen wollen, sind gegen die Pläne der Gemeinde.
BESSER: Ich gebe zu bedenken, dass gerade in dem Ortsteil in den 90er Jahren drei Aufnahmeeinrichtungen waren: die drei Doppelhäuser an der Bergstraße, das ehemalige Bahnhofshotel
und das Berghotel Dröge. Hinzu kommt, dass im Ortsteil Amshausen derzeit noch keine ausländischen
Flüchtlinge untergebracht sind.
Sie sprechen es selber an. Gerade deshalb sagen Anwohner: Wir hatten in den 90er Jahren bereits die Belastung und kennen die Probleme, die auf uns zukommen.
BESSER: Die Probleme damals waren sehr überschaubar und sind von uns angegangen worden und aus unserer Sicht gelöst worden. Es wurde das Abstellen von Fahrrädern und Müll beklagt. Wir haben Platz geschaffen für Fahrradständer und Müllcontainer. Das wäre bei den jetzt geplanten Doppelhäusern von vorn herein so vorgesehen.
Wie hoch ist die finanzielle Belastung für die Gemeinde?
BESSER: Die Unterbringung von Flüchtlingen drückt sich im Haushaltsplan aus. Allein die Steigerung von 2014 auf 2015 beträgt etwa eine Million Euro, so dass für das kommende Jahr knapp 1,3 Millionen Euro im Haushalt für Asylbewerberleistungen bereitstehen. Das Gros entfällt auf Unterbringung, Lebenshaltungskosten und medizinische Versorgung. Etwa 25 Prozent unserer Aufwendungen werden vom Land NRW erstattet. Den Kommunen würde es bereits helfen, wenn die Verfahrensabläufe beschleunigt würden. Es wäre einfacher, wenn nur noch die Flüchtling in
die Kommunen kommen, die ein gewisses Bleiberecht haben. Flüchtlinge werden oft über Jahre über
ihren Aufenthaltsstatus im Unklaren gelassen. Die Anerkennung von Flüchtlingen erleichtert dann aber vieles. Sie haben ein freies Wohnsitzrecht und können sich Arbeit suchen und fallen damit den Kommunen nicht mehr zu Last.